Wie die Personalentwicklung in der öffentlichen Verwaltung gelingt

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Die digitale Transformation ist Realität und verändert dramatisch die Berufswelt und den Arbeitsalltag. Die Bundesregierung hat sich im aktuellen Koalitionsvertrag verpflichtet, Rahmenbedingungen zu schaffen, die helfen, die Potenziale und Chancen des digitalen Wandels in der Arbeitswelt zu nutzen. Eine wachsende Zahl an Studien und Konzepten widmet sich den Auswirkungen der Digitalisierung auf Arbeitnehmer*innen in Industrie und privatem Dienstleistungssektor.

Aber was bedeutet der digitale Wandel für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst? Welche spezifischen Herausforderungen von Personal in der öffentlichen Verwaltung im Vergleich zur Privatwirtschaft gibt es und wo besteht besonderer Handlungsbedarf für öffentliche Arbeitgeber? Wie werden sich insbesondere Personalentwicklung und -gewinnung im öffentlichen Dienst verändern müssen?

Digitalisierung erfordert ein neues strategisches Personalmanagement für den öffentlichen Dienst

Ein wichtiger Treiber für Veränderungen ist die Tatsache, dass mit der allgegenwärtigen Nutzung digitaler Kommunikationskanäle und -angebote im Privatleben auch die Ansprüche der Bürger*innen an Umfang und Ausgestaltung digitaler Leistungen der öffentlichen Verwaltung steigen. Gleiches gilt für die Erwartungshaltung von jungen Beschäftigten im öffentlichen Dienst, auf die ein attraktiver Arbeitgeber im zunehmend schwierigeren Wettbewerb um hochqualifiziertes Personal eingehen muss. Hinzu kommen rechtliche Vorgaben, die deutsche Verwaltungen dazu anhalten, ihre Leistungserbringung zu optimieren.

Digitale TransformationSo verpflichtet das Gesetz zur Förderung der elektronischen Verwaltung (E-Government-Gesetz) Bundesbehörden unter anderem zur Einführung der E-Akte. Das Onlinezugangsgesetz (OZG) führt dazu, dass Bund, Länder und Kommunen bis 2022 alle Verwaltungsleistungen in Deutschland über Verwaltungsportale auch digital anbieten müssen. Des Weiteren haben Vorgaben der europäischen Kommission direkte Auswirkungen auf die öffentliche Verwaltung in Deutschland. Zu nennen sind hier vor allem die sogenannte eIDAS-Verordnung, die die grenzüberschreitende Identifizierung von Personen auf Basis der gegenseitigen Anerkennung der elektronischen Identifizierungsmittel der Mitgliedstaaten vorsieht sowie die Verordnung zum Single Digital Gateway, die den grenzüberschreitenden digitalen Zugang zu Verwaltungsleistungen unterstützen soll.

Neben dem aus der Kund*innen- sowie der Mitarbeiter*innenperspektive resultierenden Handlungsdruck sowie den genannten rechtlichen Vorgaben werden Digitalisierung, Automatisierung und künstliche Intelligenz in den nächsten Jahren auch für verwaltungsinterne Prozesse enorme Potenziale zur Beschleunigung, Verbesserung und Effizienzsteigerung freisetzen. Der Blick auf die interne Prozesseffizienz wird nicht zuletzt vor dem Hintergrund des sich abzeichnenden Fachkräftemangels eine immer größere Rolle spielen: Bereits heute fehlen in vielen Behörden und öffentlichen Einrichtungen IT-Expert*innen, Ingenieur*innen und weitere Fachleute – etwa mit pädagogischem oder medizinischem Ausbildungshintergrund.

Zudem zeigt der Blick auf die Personalstruktur, dass in den kommenden 20 Jahren mehr als 2,5 Millionen Beschäftigte den öffentlichen Dienst altersbedingt verlassen werden. Selbst um „nur“ das heutige Leistungsniveau halten zu können, wird die öffentliche Verwaltung ihren Personaleinsatz deutlich effizienter als heute gestalten und hierbei das Personal an der Transformation beteiligen müssen.

„Workforce Transition“ im öffentlichen Dienst – Mitarbeiter*innen als entscheidender Erfolgsfaktor der digitalen Verwaltungstransformation

Der Erfolg der Verwaltungsdigitalisierung hängt von einem ganzheitlichen und nachhaltigen Transformationskonzept ab, welches strategische, strukturelle sowie personelle Aspekte in Einklang bringt und die Umgestaltung mit einem entsprechenden Veränderungsmanagement begleitet. Hierbei gilt grundlegend „Transformation statt Hierarchie“ sowie „Personal und Technologie als Innovationseinheit“.Mitarbeiter der öffentlichen Verwaltung

Um das Ausmaß der benötigten Personalentwicklung und -qualifizierung in der Verwaltung zu erkennen, bedarf es einer fundierten und umfassenden Analyse der aktuellen und zukünftigen Aufgabenwahrnehmung und der dafür erforderlichen Personalstruktur sowie Kompetenzen der Beschäftigten. Zentrale Fragestellungen sind hierbei: Welche Tätigkeiten verfügen über welches Automatisierungspotenzial? Welche Kompetenzen und Fähigkeiten werden zukünftig benötigt und welche davon sind aktuell bereits vorhanden? Wie groß wird künftig die Lücke zwischen Personalnachfrage und -angebot in den verschiedenen Tätigkeitsfeldern der öffentlichen Verwaltung sein?

Strategische Personalplanung - Von der Analyse zur künftigen Personalstrategie

Öffentliche Einrichtungen brauchen neben einer strategischen Ausrichtung ihrer digitalen Initiativen auch einen klaren Fokus auf die Entwicklung der notwendigen Fähigkeiten und Kompetenzen ihrer Beschäftigten. Die Herausforderung besteht darin, dass die digitale Transformation nicht nur einige wenige, sondern langfristig den überwiegenden Teil der Aufgabenbereiche der Verwaltung betrifft – wenn auch in unterschiedlichen Ausprägungen. Der Erkenntnisgewinn der oben genannten Analysen dient daher als Fundament für die Behördenvision sowie die strategische Personalplanung. Diese bildet wiederum den Grundstein für die Weiterentwicklung von Kernkompetenzen innerhalb der nächsten fünf bis zehn Jahre sowie die entsprechenden konkreten Personalentwicklungsprogramme.

Personalentwicklung: Mitarbeitende-zentrierte Weiterbildung als zentrales Element aller Automatisierungsbemühungen

Im Konkreten können durch spezifische Analyseverfahren den gegenwärtigen Tätigkeitsprofilen und -gruppen die zukünftigen Anforderungen gegenübergestellt werden. Ziel ist es dabei, Tätigkeitsgruppen mit ähnlichen Kompetenzanforderungen und somit alternative Einsatzmöglichkeiten zu identifizieren, die die Veränderungen für die Mitarbeiter*innen so gering wie möglich halten. Abhängig von der Distanz der Job-Familien zur heutigen Position sowie der gegenwärtigen Qualifizierung und Erfahrung der Mitarbeiter*innen gibt es verschiedene Qualifizierungsvarianten.Weiterbildung und Fortbildung

Stimmt man der Aussage zu, dass es kaum einen Arbeitsbereich gibt, der nicht von der Automatisierung betroffen ist, dann müsste fast jede*r Mitarbeiter*in ein Upskilling (Ausbau einer Qualifikation) erhalten, um innerhalb seiner aktuellen Tätigkeitsgruppe in die Lage versetzt zu werden, seine Aufgaben entsprechend den zukünftigen Anforderungen zu erfüllen. Das damit in Zusammenhang stehende „Side-Skilling“ bezeichnet die Befähigung von Mitarbeitenden, Aufgaben einer benachbarten Tätigkeitsgruppe zu übernehmen. Ein noch flexibleres Einsatzmodell bietet die Mehrfachqualifikation („Multi-Skilling“), auf die sich fast 50 % der von uns befragten Organisationen konzentrieren. Dabei wird ein Pool von qualifizierten Mitarbeiter*innen aufgebaut, die in der Lage sind, in mehreren Job-Familien zu arbeiten, sodass die Behörden bei Bedarf flexibel auf kurz- und mittelfristige Anforderungen reagieren können.

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Zukunftsstrukturen: Personalreferate als Berater*innen sowie Neuausrichtung der Aus- und Fortbildungsinstitutionen

Aufgabenstellung und Selbstverständnis der Personalreferate müssen sich von einer eher administrativen hin zu einer Analyst*innen- und Berater*innenfunktion ändern, insbesondere was zukünftige Rollenprofile, Karrierepfade und -planung, Talent Management sowie Recruiting-Strategien betrifft. Eine radikale Veränderung kündigt sich wie eben aufgezeigt auch bei den zukünftigen Lernprogrammen und -formaten an.

Die Bundesakademie für öffentliche Verwaltung (BAköV), die Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung sowie die Verwaltungshochschulen und Fortbildungsinstitutionen der Länder werden sich entsprechend positionieren müssen, um der künftigen Nachfrage nach Digitalkompetenzen gerecht werden zu können. Ziel dieser Neupositionierung muss es sein, künftig alle Mitarbeiter*innen der Verwaltung mit den jeweils relevanten Kompetenzen und Fähigkeiten auszustatten und dabei technologische Veränderungen jeweils zeitnah nachzuvollziehen.

Dafür benötigt die Verwaltung ein stabiles und breitgefächertes Expert*innen- und Unterstützungsnetzwerk – sowohl intern als auch extern. Hierzu zählen beispielsweise interne Plattformen zum Wissensaustausch, externe Trainingsanbieter*innen, Kooperationen mit Universitäten oder auch sogenannte „Open Online Courses“, also für einen breiten Teilnehmerkreis zugängliche Online-Kurse zur Wissensvermittlung.

Praktische Tipps

    • Legen Sie eine Person oder eine Personengruppe fest, welche das Themenfeld „Personalmanagement und Personalentwicklung“ strategisch entwickelt und operativ in Teilprojekten umsetzt.
    • Wenn möglich können Sie auch separate Stellen „Personalleitung“ sowie „Personalentwicklung und Qualifizierung“ in der Kommune etablieren, welche dann sowohl nach innen das Verwaltungspersonal berät als auch nach außen Kooperationen mit Bildungsunternehmen umsetzt.
    • Etablieren Sie ein festes Personalentwicklungsbudget für jede*n Mitarbeiter*in.
    • Setzen Sie regelmäßige Qualifizierungsentwicklungsgespräche an und -vereinbarungen um.
    • Nutzen Sie die Fördermittelportale von EU, Bund, Land und Region für die Finanzierung Ihres Verwaltungspersonals.

Sprechen Sie uns gerne zum Thema Personal in der öffentlichen Verwaltung direkt an oder informieren Sie sich gerne in unserem Whitepaper Externes Personal in der öffentlichen Verwaltung.

 

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Bild von Stefan Komoß
Stefan Komoß Bürgermeister a.D. & Geschäftsführer von rego Dienste Alle Artikel des Autors

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